On Tour durch Patagonien

mit dem Fahrrad durch Südamerika

Verkehrschaos und Großstadtdschungel


Ich wache morgens irgendwo über dem brasilianischen Regenwald auf, der Sonnenaufgang sieht ziemlich fantastisch aus. Das inzwischen schon etwas abgekühlte Frühstück halte fälschlicherweise erst für Kartoffelpüree, es war aber wohl doch Rührei. Ich verbringe die letzten Stunden vor der Ankunft mit Musik und guter Laune.

Für die erste Zeit in Buenos Aires habe ich das nette Angebot einer ehemaligen Klassenkameradin angenommen, in ihrer WG für diese Zeit wohnen zu können.
Allein in den Innenstadtbezirken („capital“) wohnen ungefähr so viele Menschen, wie im gesamt Berlin. Zusammen mit der Provinz Buenos Aires, sind es sogar 13 Millionen.

Das Viertel in dem die WG liegt, ein sehr wohlhabendes und damit ein vergleichsweise ruhiges Viertel, indem sich auch der ummauerte, riesige Park mit der Präsidentenresidenz befindet. Hier reihen sich kleine ein- oder zweistöckige Eigentumswohnungen, mit kleinen Vorgärten eng aneinander. An jeder zweiten Straßenkreuzung findet sich ein kleines Pförtnerhäuschen, indem rund um die Uhr ein Sicherheitsdienst wacht. Die meisten Häuser haben zudem vergitterte Fenster oder hohe Zäune.

In der WG sind wir mit mir jetzt zu fünft, jeweils zwei Freiwillige teilen sich ein Zimmer. Ich schlafe auf dem Sofa im Aufenthaltsraum. Die perfekte Basis für ein paar Ausflüge in die Stadt und die Organisation meiner Weiterreise mit dem Bus/Flugzeug nach Ushuaia im südlichsten Zipfel Südamerikas. Letztere ist dich schwieriger geworden als gedacht, weshalb ich im Moment schon zwei Wochen hier bin, obwohl nur etwa eine geplant war, dazu aber ein andermal mehr.

Verkehrschaos

Das Straßennetz in Buenos Aires ist ein strukturiertes Raster. Alle Hundert Hausnummern gibt es eine Straßenkreuzung, sodass es jedemenge Quadratische Häuserblocks („quadres“) gibt. Zwischen diesen Blocks verlaufen meist Einbahnstraßen. Die Einzelnen Stadtviertel die dann aus unzähligen solcher „quadres“ bestehen, sind dann von großen Hauptstraßen durchzogen, die gut und gerne mal vier oder gar sechs Spuren pro Fahrtrichtung besitzen. Gerade am Anfang wirkte das ziemlich imposant, da es gerade auf diesen Straßen unglaublich chaotisch zugeht.

Wenn auch nur davon auszugehen ist, dass die Ampel grün wird, da der restliche Verkehr hält, treten hier viele schon aufs Gas oder hauen auf die Hupe. Deshalb ist man wenn es dann grün wird mit dem Bus oft schon (fast) über die Kreuzung. An Kreuzungen gilt (zumindest in der Praxis) nicht rechts vor links, sondern das Recht des Stärkeren und wenn genug Fußgänger bei Rot über die Ampel wollen, muss das Auto halt bremsen. Wenn der Busfahrer von der rechten Spur dann doch links abbiegen will und genug Fahrer auf die Kreuzung fahren obwohl der Verkehr nicht abfließt, muss dann schon Mal die Polizei antanzen und das ganze wieder in „Ordnung“ winken.

Nahverkehrsbus auf der breitesten Straße der Welt (61m), im Hintergrund der Obelisk

Dafür ist das Nahverkehrssystem sehr engmaschig, gerade wenn man neu ist aber genauso unübersichtlich wie der Verkehr. Übersichten mit den verschiedenen Buslinien gibt es nicht, man orientiert sich an der groben Routenbeschreibung der Anzeige außen am Bus oder man muss halt fragen. Die „collectivo“ genannten Nahverkehrsbusse sind sowieso das gängigste Fortbewegungsmittel, da sie die gesamte Provinz und Innenstadtbezirke abdecken, oft eigene Straßenspuren haben und tagsüber im Abstand von wenigen Minuten verkehren. Damit prägen die je nach Buslinie und Unternehmen anders gestalteten Collectivos auch entscheidend das Stadtbild.

Ansonsten gibt es noch einige neue S-Bahnlinien, die komfortabler und schneller sind und von denen eine Station zum Glück gleich um die Ecke ist. U-Bahnlinien gibt es nur im Zentrum Buenos Aires.
Wenn man sich dann alles gewöhnt hat, klappt es aber problemlos, da man überall mit einer aufladbaren Chipkarte kontaktlos bezahlt. Die Preise sind auch stark subventioniert und daher kostet eine Strecke maximal 4 ARP, umgerechnet 40cent.

Großstadtdschungel

Buenos Aires ist neben chaotischem Verkehr und trotz der hohen Bevölkerungsdichte trotzdem eine recht grüne Stadt. Gerade vom ersten Schnee Mitte November in Norddeutschland geflohen, freue ich mich über das satte Grün der Palmen und die bunte Vogelwelt direkt vor dem Fenster der WG.

Da ich mich von nun an auf der Südhalbkugel bewege, drücke ich mich gekonnt vor dem europäischen Winter. Stattdessen gibt es unzählige Sonnenstunden (Sonnenbrand inklusive) und bis zu 30 Grad, so lässt es sich doch aushalten. Einen Garten haben die Häuser selbst in unserem Viertel nicht, privates Grün beschränkt sich auf klitzekleine Vorgärten, aber auf der WG eigenen Dachterrasse lässt es sich ja auch aushalten.
Der Blick auf die mit großen Bäumen gesäumte Straße, wird nur etwas durch chaotische Verkabelung über Holzmasten getrübt. Viele Vögel wie z.B. kleine grüne Papageien und sogar ein Kolibri leben mit uns im Viertel.

Nachdem ich nach mehrtägiger Suche endlich einen Karton zur Verpackung meines Rades auf der Weiterreise gefunden habe, bekomme ich aber auch wieder die Schattenseiten zu Gesicht. Der künstlich am Meeresufer aufgeschüttete Parque de los Niños ist mit viel Müll auf den Wiesen und einem „Strand“ der zum größten Teil aus Bauschutt besteht, stimmen einen echt nachdenklich. So ist es hier leider auch üblich, dass einem im Supermarkt gekaufte Artikel in unzählige kleine Plastiktüten verpackt werden.

In die Meeresbucht in der Buenos Aires liegt, mündet auch der Rio de la Plata („Silberfluss“) und so bezeichnen die Einheimischen dann auch die ganze Meeresbucht, obwohl man das andere Ufer, Uruguay, nicht mehr erkennen kann. In dieser Meeresbucht ist das Baden aufgrund der Kontaminierung des Wassers mit diversen Chemikalien und Bakterien auch bereits seit über 30 Jahren verboten.

Andererseits wurde östlich des modernen Hafenviertel „Puerto Madero“, dass mich sehr an Hamburg erinnert, durch Landgewinnung ein Naturreservat ebenfalls am Rio de la Plata geschaffen. Die großflächigen Sumpfgebieten dort, bieten verschiedensten Tierarten ein Lebensraum, sogar eine 1m lange Eidechse, bekamen wir kurz zu Gesicht. Neben den Sumpfgebieten gibt es aber auch weiträumige Wiesenflächen, die dann von unzähligen Menschen zum Sonne baden und Mate schlürfen genutzt werden.

Der Mate ist zwar das Nationalgetränk der Argentinier, dass gemeinsame Mate trinken ist aber vor allem ein gemeinsam zelebriertes, gesellschaftliches Ritual. Das durch aufgießen einer Kräutermischung mit warmen Wasser im Becher hergestellte Getränk wird mit einem Metallstrohhalm getrunken und innerhalb der Runde immer wieder erneut aufgegossen. Es schmeckt herb, etwas bitter und hat einen höheren Koffeingehalt als Kaffee.

Im Naturreservat und auch in den vielen Parks, scheint der Ausgleich mit der Natur schon deutlich harmonischer gelungen zu sein als direkt am/im Rio de la Plata.

Insgesamt bleibt mir die Stadt sehr gemischt in Erinnerung, aufgrund der Sicherheitsproblematik, dem Verkehrschaos und der schieren Größe der Stadt, würde ich hier echt nicht dauerhaft wohnen wollen. Andererseits bin ich echt froh, dass ich diese Schattenseiten, aber auch die grüneren und freundlicheren Seiten der Stadt und ihrer Bewohner kennenlernen durfte.

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12 Kommentare

  1. Eckhart und Julia Ewest 13. Dezember 2015

    Hallo Sven,
    wir haben Deinen Bericht über Buenos Aires und den schönen Fotos mit Interesse gelesen und freuen uns schon auf die Fortsetzung Deiner abenteuerlichen Reise. Alles Gute für die nächste Etappe!
    Eckhart und Julia

    • Sven Arved 26. Dezember 2015 — Autor der Seiten

      Danke für die positive Rückmeldung, hat mich echt gefreut 🙂

  2. Onkel Stefan 13. Dezember 2015

    Sehr schöne Bilder. Echt toll. Weiter so.

    • Sven Arved 26. Dezember 2015 — Autor der Seiten

      Freut mich zu hören, dass dir die Bilder gefallen haben. In Patagonien sind auch schon einige nette Fotos entstanden 😉

  3. André D 21. Dezember 2015

    Wow, was du so alles erlebt hast bis jetzt ist echt beeindruckend. Ich freu mich mehr von deiner Reise zu sehen. 🙂

    • Sven Arved 26. Dezember 2015 — Autor der Seiten

      Toll das du das hier mitverfolgst, macht mir auch echt Spaß euch mit diesem Blog dran teilhaben lassen zu können 😉

  4. Daniela 26. Dezember 2015

    Es freut mich, dass es dir bei uns gefallen hat!
    Ich hätte auch nie gedacht, dass mir Buenos Aires jemals gefallen würde, Sven. Aber nach fast fünf Monaten, muss ich sagen, dass ich mich in die Stadt verliebt habe. Manchmal dauert es einfach länger.

    Liebe Grüße von Bernie, Manu und mir!

    • Sven Arved 26. Dezember 2015 — Autor der Seiten

      Klar hat es mir bei euch gefallen 😉 Toll das du dich da jetzt so eingelebt hast

      Ebenfalls liebe grüße zurück und genießt die freien Tage !

  5. Max Mund 1. Januar 2016

    Halli Hallo Sven,

    Mit größter Begeisterung habe ich Deinen ersten Eintrag hier gelesen.

    Ich wünsche Dir weiterhin viel Spaß und wunderbare tolle einzigartige Momente da hinten. …auf der anderen Seite vom Teich.

    Auf diesem Weg möchte ich Dir auch nachträglich Frohe Weihnachten aber vorallem ein gutes, frohes und vorallem gesundes neues Jahr 2016!

    • Sven Arved 6. Januar 2016 — Autor der Seiten

      Danke habe mich über eure Sprachnachricht mit den Neujahrsgrüßen echt sehr gefreut. Auch wenn es etwas gebraucht hat, bis sie sich zu mir durchgekämpft hatte 🙂
      Gut zu wissen das ihr den Laden daheim so gut am Laufen haltet und gut ins neue Jahr gestartet seit 😉

  6. Iris 3. Januar 2016

    Hallo Arved, zunächst ein FROHES NEUES JAHR 2016!! Hab gerade deine Eltern auf der Straße getroffen und mich nach dir erkundigt.So hab ich von deinem Blog gehört. Gefällt mir, werde jetzt öfter hier gucken. Solch persönliche Berichte sind einfach interessant. Schöne Fotos.
    Weiterhin alles Gute, keine technischen und körperlichen Probleme wünscht dir deine alte Nachbarin…

    • Sven Arved 6. Januar 2016 — Autor der Seiten

      Danke für den netten Kommentar. Freut mich das ich dich als Leser hier begrüßen kann …

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