Einige haben sich ja Gedanken gemacht, wie ich die Feiertage verbracht habe. Mit etwas Verspätung möchte ich euch jetzt gerne daran teilhaben lassen.
Heiligabend begann vor allem ungemütlich. So ging es am 24.12 vormittags gegen starken Wind mit stechendem Regen um die letzten 40km auf dem Weg nach Puerto Natales zu erkämpfen. Auch an den Tagen davor hatte ich bereits mit den berüchtigten Winden Patagoniens zu kämpfen, sodass es jetzt ungeplant knapp wurde. Weihnachtsstress mal anders…
Endlich angekommen war es aber noch nicht geschafft, brauchte ich doch noch ein nettes Hostel für die Feiertage. Auf der Suche nach einem günstigen Hostelzimmer hagelte es vor allem Absagen und irgendwann fühlte ich mich ironischerweise etwas an die Weihnachtsgeschichte erinnert (Drahtesel hatte ich ja auch :D). Die Hostels waren entweder ausgebucht, über Weihnachten geschlossen oder mehr oder weniger menschenleer zurückgelassen. So trottete ich lange fragend von Tür zu Tür, bis ich endlich ein kleines aber gut besuchtes Hostel mit einem Bett für mich finden konnte. Kurz vor Ladenschluss deckte ich mich dann noch gerade rechtzeitig im Supermarkt für die Feiertage ein, bevor ich bei ein paar Telefonaten in die Heimat endlich etwas runterkommen konnte.
Unser gemeinsames Festmahl im Hostel konnte sich sehen lassen. Bei einem drei Gänge Menü saßen wir alle gemeinsam an einem Bankett und genossen das späte, gute und viele Essen mit insgesamt 20 Leuten. Bevor um Mitternacht dann Silvesterartig mit Cidre auf das den Weihnachtstag angestoßen wurde. Insgesamt war es ein netter Abend auch wenn ich nie in Weihnachtsstimmung war und die meisten Gespräche an dem Abend eher etwas holperig verliefen. Während anderswo so ab 02:00 Uhr erst die wilden Weihnachtspartys mit Tanz und Musik starteten, nutze ich die Zeit dann doch lieber um etwas Schlaf nachzuholen.
Silvester im Nationalpark
Es hat sicherlich einige Zeit gedauert bis die Idee mit dem Rad durch Südamerika zu fahren in meinem Kopf ausgegoren war. Ein paar Videos über den Torres del Paine Nationalpark in Chile waren aber der Funke für meine Reiselust nach Patagonien und Südamerika.
Dementsprechend waren die Erwartungen also nicht klein, als ich mein Rad mit Taschen im Hostel zurücklies und den Bus zum Nationalpark nahm.
Der „Circuit“ bietet eine insgesamt 130km lange und etwa achttägige vollständige Umquerung des Painegebirgsmassivs. Beladen mit einem schweren Trekkingrucksack, mit Campingausrüstung und vor allem massenweise Essen für die anstehende Woche ging es los. Auf der Ostseite durchquerten wir das breite Tal mit seinen riesigen Magerittenwiesen nordwärts zum ersten Campingplatz.
Das Highlight des zweiten Tages ist eindeutig der Campingplatz auf einer Halbinsel direkt am Gletschersee mit Eisschollen, Strand, netten Gesprächen und toller Aussicht gewesen.
Am dritten Tag geht es dann in einer kurzen und dafür steileren Etappe durch gemäßigten und total urigen patagonischen Regenwald zum Waldcampingplatz am Fuße des großen Passes.
Den fand zumindest ich im Endeffekt doch gar nicht so wild und schwierig wie die ganzen Einschätzungen zuvor vermuten ließen. Ein paar Schneefelder, etwas Geröll und nur 600 Höhenmeter Anstieg. Die völlige Windstille (in Patagonien !!!) und Ruhe auf dem Pass wirken ebenfalls echt surreal. Hinter der Steinwüste lassen sich aber schon die riesigen Gletscherlandschaften des Patagonischen Eisfelds erahnen. Es zieht sich mit einer Länge von 350km durch die Südanden und ist der größte Eispanzer außerhalb der Arktis (inkl. Grönland) und der Antarktis.
Der Ausblick an diesem vierten Tag wird immer fantastischer. Man kommt immer näher an den wahnsinnig großen Greygletscher und jeder neue Blickwinkel, jedes kleines Aussichtsplateu ist schöner als das vorherige. Es fällt uns allen schwer diese überwältigenden Eindrücke irgendwie in Worte zu fassen. Unzählige Minuten verbringe ich mit Staunen oder Fotos machen um diesen Eindruck irgendwie „erfassen“ zu können. Der Wind, der Regenwald und eisbedeckte Berge, eine Atmosphäre die man erlebt haben muss um sie annähernd begreifen zu können.
Als hätte der Tag nicht schon genug Höhepunkte gehabt, geht es dann noch über zwei große Hängebrücken. Die tiefe Schlucht mit reißendem Bach ungefähr hundert Meter unter einem, die man zwischen den Holzdielen erkennen kann und das Schaukeln der Brücke im Wind sind schon eine kleine Bewährungsprobe. Da es aber nur weiter oder drei Tage zurückgeht, wird die Brücke dann aber doch von allen gemeistert.
Und da es nun mal der 31.12 ist, geht der Tag auch nicht so schnell zu Ende. Der Campingplatz ist auch Teil der 4 Tägigen W-Wanderung die einen nur entlang des südlichen Teils des Painemassivs führt. Damit ist er leider auch entsprechend voll, anonym und eher unbehaglich. Auf einige Hundert Wanderer kommen pro Geschlecht zwei Duschen.
Einer der chilenischen Studenten winkt mich zum Glück gleich auf eine Wiese. Dort hat schon der Rest der „Circuitwanderer“, der nicht ganz so viele Fotopausen eingelegt hat, seine Zelte aufgeschlagen. Unsere mittlerweile schon etwas eingeschworene Gemeinschaft setzt sich aus diversen Studentengruppen oder Pärchen aus Santiago (Hauptstadt Chiles) und ein paar anderen Europäern zusammen. Man kennt sich und hat auf den ruhigen Campingplätzen und Wanderwegen der ersten Tage schon das ein oder andere (längere) Gespräch geführt. Ich „el Sven“ (die Aussprache ist teilweise sehr abenteuerlich), bin also auch schon als der Deutsche mit dem Rad bekannt :D.
Natürlich wurde auch gemeinsam Silvester gefeiert. Es gab natürlich keine Raketen und wir wurden alle schon vor zwölf aus dem Aufenthaltsraum gedrängt (weil man sich ja unbedingt an die Schließzeiten halten muss). Irgendwann war dann anscheinend auch der tagsüber gespeicherte Strom alle, sodass wir mit Stirnlampen und Handymusik auf der Terrasse direkt vor den Toiletten gefeiert haben. Zusammen mit dem, was man halt so auf einem Campingplatzkiosk kaufen kann (Traubenschnaps, Dosenbier, Cidre, Tetrapackwein und Cola) war das somit das einfachste und skurillste Silvester was ich je gefeiert habe. Ich habe auch gelernt, dass es hier anscheinend Menschen gibt die Wein mit Cola mischen.
Insgesamt war es auf jeden Fall ein sehr witziger und unvergesslicher Abend mit toller Atmosphäre, den wir auf der Wiese unter klarem Sternenhimmel und unter Sternschnuppen wunderbar ausklingen ließen. Außerdem habe ich zwei nette Einladungen nach Santiago erhalten.
Die nächsten Tage waren vor allem von (zu) vollen Wanderwegen geprägt, die Landschaft war trotzdem noch beeindruckend: Karge, windige Steppenlandschaft, türkise Seen und schroffe Felsen.
Das „Valle Frances“ (dt. französisches Tal) als Abstecher in den zentralen Teil des Gebirgsmassivs mit einem „Amphitheater aus Berggipfeln“ bekamen wir nicht zu Gesicht. Aufgrund von Sturm und Nebel war der Rückweg irgendwann die bessere Alternative und der Weg wurde auch kurz nach unserer Rückkehr gesperrt. Ein weiterer Grund eines Tages noch einmal wiederzukommen, dann aber nicht allein…
Am letzten großen, siebten Tag ging es dann entlang malerischer Seen und Strände zum Campingplatz am Fuße der Torres. Diese drei Granittürme haben dem Nationalpark seinen Namen gegeben. Besonders beeindruckend sollen sie sein, wenn sie bei Sonnenaufgang langsam in oranges Licht eintauchen. Dies haben uns leider die Wolken verwehrt.
Kreisende Andenkondore (größte flugfähige Vogelart) und ein an den Torres brandende Wolkenmeer haben aber auch etwas für sich.
Auch die schönste Wanderung geht einmal zu Ende und ein bisschen Vorfreude auf ein Hostelbett und einen Supermarkt mit frischem Essen ist allen anzumerken. Trotzdem fällt der Abschied nicht unbedingt leicht. Da nicht jeder denselben Bus nimmt, schafft man es sogar nicht einmal, sich von allen Gefährten zu verabschieden.
Auch die Wartezeit auf den Anschlussbus lässt sich noch mit einem guten Gespräch verbringen. Irgendwann kommt dann aber auch echt Melancholie auf, dass dieser „Urlaub im Urlaub“ zu Ende geht und nur noch das Hostel als „Zuhause“ auf mich wartet.
Der Nationalpark war einfach unglaublich vielseitig, mit toller Gemeinschaft und hat alle meine Erwartungen übertroffen. Ich verabschiede mich vor meinem Hostel auch von meiner letzten Begleitung und schließe somit ein wunderschönes und dass bisher wahrscheinlich erlebnisreichste Kapitel meiner Reise.
P.S. : Ich habe mich wirklich sehr über jeden Kommentar von euch gefreut. Neben der Möglichkeit einen Kommentar unter einem Blogbeitrag zu schreiben, habt ihr hier auch eine Möglichkeit mich privat zu kontaktieren. Ich bitte im allgemeinen aber um Verständis für etwas verzögerte Reaktionszeiten meinerseits. Ich habe hier einfach nur immer mal wieder Internet, sodass ich nicht immer so schnell die einzelnen Kommentare freischalten oder eure Nachrichten beantworten kann.
Ansonsten einfach nochmal danke, dass ihr mich auf diesem und anderen Wegen so motiviert. Freue mich auf weitere Kommentare und private Nachrichten von euch… 🙂
Lene 16. Januar 2016
Wow Sven, das sieht alles so unfassbar wunderschön und, wie sagst du so schön, beeindruckend aus! Ich gebe es ja wirklich nicht gerne zu, aber ich vermute leider, dass diese Tour von der Schönheit sogar unseren Norwegentrip übertrifft. 😀
Da bin ich ja ein wenig neidisch. Nur über die Hängebrücken wäre ich vermutlich keinen Schritt gegangen 😀
Schön, dass es dir gut geht und du noch lebst und nicht geklaut wurdest.
Bis bald!
Sven Arved 20. Januar 2016 — Autor der Seiten
Moin Lene,
schön was von dir zu hören 🙂 Ja ich musste auch feststellen, dass das alles was ich bisher so in Norwegen und der Schweiz gesehen habe etwas verblassen läst 😀
Das mit der Hängebrücke hätte ich vorher auch gesagt, aber bevor man drei Tage zurückgeht reißt man sich lieber einmal richtig zusammen ^^
Ja zumindest hier im Süden, also in Patagonien insgesamt, ist es bisher alles echt einfach. Es ist vieles auf Tourismus ausgelegt und man muss sich halt nur etwas daran gewöhnen, dass der Hase hier dann doch etwas anders läuft (wenn überhaupt) :D.
Bis bald 🙂
Sven Arved
Lene 28. Februar 2016
Das glaubt man gar nicht, dass es Flecken auf der Erde gibt, die noch schöner sind, als das bisher Gesehene 🙂
Echt klasse, dass es gut läuft und du voran kommst. Dass du so viel Tolles und Schönes sehen und erleben kannst.
Bis bald 🙂
der Vorwärtsfahrer 30. Januar 2016
Hey el Sven,
hab mich jetzt auch mal endlich auf deinen Blog verlaufen.
Fette Bilder! Wirklich sehr sehr geil, da werde ich schon etwas neidisch. 30°C haben wir um diese Jahreszeit nicht mal in Freiburg. Das Sommerfeeling muss ich mir hier via Caipi simulieren.
Wenn du mal in Belo Horizonte vorbei kommst, dann grüß meinen Kumpel Filipe – der treibt sich da demnächst wieder irgendwo rum.
So long, mach weiter so und pass auf deine Organe auf!
der Vorwärtsfahrer
Sven Arved 2. Februar 2016 — Autor der Seiten
Ach du schon wieder,
gut zu wissen, dass du dich vom deutschen Winter nicht unterkriegen lässt. Diese Vorwärtsfahrer sind ja eh nicht totzukriegen 😀
Toll das es dir gefallen hat, ging auch genial weiter, dazu gibts auch demnächst mal wieder nen Update 😉
Beste Grüße
Sven Arved
Eckhart und Julia 2. Februar 2016
Hallo Sven,
der Torres del Paine hat nicht nur Deine Erwartungen übertroffen, sondern auch die Unserigen: Tolle Fotos
und bildhaftes Beschreiben des Erlebten, so als wäre man selbst dabei, zu Sylvester, am Gletscher oder auf der Hängebrücke, einfach wunderbar. So freuen wir uns schon auf Deinen nächsten Bericht.
Bis dahin alles Gute.
Sven Arved 2. Februar 2016 — Autor der Seiten
Ich finde es echt motivierend wie ihr meine Reise verfolgt, danke. Auch wenn ich die Torres del Paine immernoch als mein größtes Highlight bezeichnen würde ging es in Argentinien mit dem Perito Moreno und Chalten eindrucksvoll weiter. Nachdem der Wind mich fast weggeweht hat 😀
Dazu gibt es dann demnächst nen auch nen neuen Beitrag 😉
Liebe Grüße
Sven Arved