Mit dem Grenzübergang Anfang Februar nach Villa O’Higgins nahm meine Reise einen neuen Anfang. Dieses Dorf liegt am Ende der über 1200km langen Carretera Austral und war bis vor 15 Jahren nur aus der Luft zu erreichen.
Die Atmosphäre ist ruhig und das Wetter ist bestens. Dreimal am Tag fährt ein Tanklaster vorbei um die Schotterstraße zu gießen, damit der Verkehr nicht ganz so viel Staub aufwirbelt. Irgendwann bringt sogar ein LKW frisches Obst und Eier ins Dorf, das erste Mal seit Wochen. Die nächste Stadt ist 250km entfernt.
Die nächste Station ist die Pfahlbausiedlung Caleta Tortel, die idyllisch am Fjord und am Delta des größten Flusses Chiles, dem Rio Baker liegt. Hier gibt es keine Straßen, sondern nur viele Treppen und lange Holzstege verbinden die Häuser miteinander. Dabei versinkt die Landschaft für mehrere Tage in tiefen Wolken und ich muss mich durch jede Menge Regen das „Waschboard“ der Schotterpiste kämpfen.
Nach einem weiteren Zwischenstopp in der ersten Stadt Cochrane (3.000 Einwohner) geht es entlang des Rio Baker zu seinem Ursprung, dem zweitgrößten See Südamerikas.
Am Lago General Carrera führt die Straße nach Puerto Rio Tranquilo. In unmittelbarer Nähe hat das Wasser des Sees über Jahrtausenden tiefe Höhlen in den Marmor geformt. Auf der Bootstour kann man mit den kleinen Fischerbooten sogar in die Höhlen hineinfahren.
Nach diesem schönen Teil, geht es nur schwer voran. Einige Tage voller Regen und die schlechte Straße schlagen ziemlich auf die Stimmung. Generell bin ich nun seit ein paar Monaten allein auf reisen, dass erste Mal wirklich lustlos und deprimiert. Sich morgens aufraffen, schon wieder Haferflocken kochen und wieder einen Tag im Regen gegen die Straße kämpfen, die größtenteils noch geschottert ist. Die Straßenqualität reicht dabei von ganz in Ordnung bis fast unbefahrbar (mit dem Rad). Auf gerader, flacher Strecke wird man dann oft zwischen losen Steinen und dem „Waschboard“ (hügelige Radspuren) bei ca. 10kmh einfach nur durchgeschüttelt, da ist dann nicht mehr viel mit Aussicht genießen. Die Straße und die Natur hier können wunderschön sein, aber auch ein harter Gegner…
Das allgemeine Reisemotivationstief hielt noch einige Tage an, bis sich endlich wieder bessere Laune breit machte. Man sollte die Landschaft ja noch genießen, solange sie noch in dieser Form vorhanden ist. In der Region ist nämlich ein Staudammprojekt „Hidroaysen“ geplant. Der wilde und wasserreiche Rio Baker soll aufgestaut werden. Die längste Stromtrasse der Welt (über 2000km) würde dann die auch die wildesten Landschaften Patagoniens hier durchkreuzen. Erneuerbare Energien sind natürlich wichtig, gegen dieses Megaprojekt gibt es aber nicht ohne Grund im ganzen Land viele Proteste, da auch viele Nationalparks betroffen wären.
Die gesamte Region ist aufgrund der hohen Niederschläge entlang der küstennahen Bergketten hier nämlich besonders artenreich und weitflächig durch den gemäßigten Regenwald geprägt. Betritt man diesen Dschungel, fühl man sich sofort wie im Tropenhaus, nur die Heizung scheint ausgefallen zu sein. Der dichte Wald ist bis zum Boden dicht bewachsen und undurchdringlich. Die Sichtweite beschränkt sich auf wenige Meter, Lianen, Farne und Moose wachsen überall.
Im privaten Pumalin Park konnten wir auch Alercen bestaunen. Der Park wurde vom US-Millonär Douglas Tompkins geschaffen, in dem er riesige Landareale aufkaufte. Bemerkenswert ist, mit wieviel Akribie und Nachhaltigkeit auch die touristische und ökonomische Erschließung (Ökotourismus, nachhaltige Farmen) erfolgt ist. Mittlerweile wurde das Land dem Staat als Naturpark übergeben, die Parks werden aber weiter durch seine Stiftung verwaltet. Tompkins selbst starb vor kurzem tragischer Weise bei einem Kajakunfall an Unterkühlung.
Diese Alercen überleben sogar Waldbrände. Von dem großen Vulkanausbruch 2008, der auch Teile des Parks verwüstete, hat sich die Natur aber noch nicht vollständig erholt. Dabei verschwand auch die Stadt Chaiten unter einer Aschedecke und musste zum großen Teil neu aufgebaut werden.
Verlassen haben wir den Pumalin Park dann übrigens auf einer ehemals griechischen Touristenfähre, die hier die Straßenstücke verbindet. Da die chilenische Urlaubszeit gerade vorbei war, fuhr die Fähre die hunderte Passagiere transportieren könnte, auch fast leer die vierstündige Strecke nach Fahrplan. Die finanzielle und ökologische Bilanz muss bei gerademal zehn Passagieren katastrophal gewesen sein.
Damit war die Carretera Austral nun nach etwa 5 Wochen auch schon fast zu Ende und für mich ging es weiter in Chiles Seenregion.
Insgesamt zeichneten sich die Straße und die Region eher durch ihr einmaliges Gesamterlebenis aus. Die Landschaft zog langsam an einem vorbei und am Ende bleibt bei mir trotz einiger Tiefpunkte ein hochzufriedener Gesamteindruck. Es sind nicht die einzelnen Orte oder Parks bzw. das allgemeine Sightseeing, die diese Route besonders gemacht haben, sondern vor allem alles dazwischen. Deshalb gilt hierfür noch mehr als fürs Reisen allgemein, man muss es selbst erlebt haben um es wirklich zu begreifen. Ich hoffe ich konnte euch trotzdem einen gewissen Eindruck ermöglichen….
Klaus Brügge 10. Mai 2016
hallo sven
haben uns auf dem ahrradweg getroffen u. uns unterhalten.
ich hoffe,du hast meiner wegbeschreibung nach köln über rheinbach folgen können.
ich möchte dir meinen allerhöchsten respekt zollen.wie ich dir erzählt habe war ich auch schon alle jahre
auf grosser tour. aber diese reise ist ein ritterschlag für jeden tourer.
nach fernweh kommt heimweh,stimmt doch oder ?
Sven Arved 14. Mai 2016 — Autor der Seiten
Moin Klaus,
vielen Dank für deinen Kommentar und danke für die netten Wort 🙂 Deiner Wegbeschreibung nach Köln konnte ich gut folgen und wurde auf dem Weg sogar noch netterweise zum Essen eingeladen.
Ja auf jeden Fall, da ich aber gestern Zuhause angekommen bin geht es jetzt schon wieder ans einleben in einen ganz anderen Alltag. Mal schauen wie dass wird …